Als Kind wollte sie Bankdirektorin werden. Geworden ist Shirley Amberg
«eine der prickelndsten jüngeren Weinkolumnistinnen des Landes», wie es in
der NZZ einmal hiess. Jetzt schreibt Sie als neue Korrespondentin des
Sommelierverbandes Deutschschweiz SVS für das Fachmagazin Hotelier.
Zum Start verrät sie im Interview, warum «quasi Wein durch ihre Adern "fliesst»..
SVS: War es schon immer dein Wunsch, in der Welt der Weine zu arbeiten?
Shirley Amberg: Nun, es wäre wohl etwas merkwürdig gewesen, wenn ich schon in der Primarschule den Wunsch geäussert hätte, etwas mit Wein machen zu wollen. Jedes Kind kennt die Frage: Was möchtest du denn mal werden, wenn du gross bist? Gemäss meinen Eltern antwortete ich ab meinem zehnten Lebensjahr darauf jeweils mit: Bankdirektorin. Das war damals vom Ansehen her an der Spitze der Berufshitliste. Wie Arzt oder Dorfpfarrer.
Du hast dann tatsächlich lange bei einer Bank gearbeitet, nicht wahr?
Ja, bereits in meiner Schulzeit scannte ich während den Sommerferien Unterschriften von Kunden ein und alles in allem dauerte meine Zeit bei der Credit Suisse fast ein Jahrzehnt. Zur Bankdirektorin hat es allerdings nicht gereicht.
Banker sind oft sehr grosse Weinliebhaber, stimmt das?
Zumindest geben einige davon sehr viel Geld für Wein aus. Einige meiner engsten Arbeitskollegen besassen riesige Weinsammlungen. Unfassbar. Ich glaube, alle waren mehr wert als mein gesamtes Hab und Gut zu der Zeit. Ich merkte, dass ich mit den Kollegen sehr viel lieber über Wein diskutierte als über Business. Das war auch einer der Gründe, weswegen ich berufsbegleitend die Ausbildung zur Sommelière in Angriff nahm.
Was waren die anderen Gründe?
Einer war ganz sicher, dass ich wusste, nicht für immer auf der Bank arbeiten zu wollen. Ein anderer, sehr wichtiger Faktor war, dass ich Kinder haben wollte. So überlegte ich mir, wie ich Zukunft selbstständig sein kann.
Wie kamst Du auf die Idee, über Wein zu schreiben?
Wein hat mich schon lange interessiert. Wein "fliesst» quasi durch meine Adern: Meine Eltern kommen beide aus Weinnationen. Mein Vater ist halb Österreicher und halb Schweizer, meiner Mutter stammt aus Südafrika. Ich bin sozusagen eine Cuvée. Von der Schreiberei angetan war ich schon immer – doch eher durch Zufall ergatterte ich mir einen ersten Job als Kolumnistin. Zur Abwechslung arbeitete ich neben meiner Arbeit bei der Bank ein bisschen als Model und war für einen Job für die Zeitschrift Annabelle gebucht. Während des Shootings nahm ich meinen gesamten Mut zusammen und sagte zur anwesenden Redakteurin, dass im Magazin eine Weinkolumne fehle. Sie blickte mich verwundert an. Doch konnte ich sie überzeugen, diese Lücke zu beheben. So kam es, dass ich für rund zwei Jahre für die Annabelle schreiben durfte. Dies öffnete mir viele Türen und es folgten Beiträge in anderen Medien.
Du hast auch «richtig» in der Gastronomie gearbeitet. Wie kam es dazu?
Nachdem mein Mann mit seinem Studium fertig war, habe ich meinen Job bei der Bank gekündigt und mich mit meiner Firma «Wein & Worte» selbstständig gemacht. Doch nur zu Hause zu sitzen und zu schreiben, war mir dann doch zu langweilig. Meinen allerersten richtigen Job in der Weinwelt hatte ich bei Buonvini, einem kleinen, feinen Weinladen in Zürich. Nicola Mattana, der Geschäftsführer, hat mir viel beigebracht und wir sind bis heute befreundet. Seine Leidenschaft und sein Wissen für Wein sind sehr beeindruckend. Er war so etwas wie ein Mentor für mich.
Wie lange hast Du in diesem Weinladen gearbeitet?
Ungefähr ein Jahr lang. Dann wurde ich schwanger und blieb für eine Weile mit meinem Baby zu Hause. Aber auch da wurde mir nach einer Weile wieder ein bisschen langweilig. Erneut habe ich meine Fühler nach einem neuen Job ausgestreckt. Zu meinem grossen Glück durfte ich dann für das Restaurant Hiltl in Zürich arbeiten, wo mich die Persönlichkeit von Rolf Hiltl sehr beeindruckte. Sowieso hatte ich bisher fast immer Glück, was meine Arbeitgeber angeht.
Was heisst «fast»?
Oh, das vertiefen wir hier nicht (lacht).
Konkret, was hast Du im Hiltl gemacht?
Ich habe die gesamte Weinkarte erneuert und wir waren die ersten in der Schweiz, die eine rein vegetarische und vegane Weinkarte hatten. Zudem schulte ich das Weinwissen der Mitarbeitenden. Das Allerbeste aber war, dass ich unsere eigenen Hausweine auswählen und sogar zusammen mit Dieter Meier einen Wein exklusiv für das Hiltl cuvetieren durfte. Nach etwa fünf Jahren wurde ich mit meinem zweiten Kind schwanger und habe das Hiltl schweren Herzens verlassen.
Bereust Du, dass Du viele Jahre auf der Bank warst, sozusagen ein Jahrzehnt vergeudet hast?
Nein, wirklich nicht. Ich denke sehr gerne an meine Zeit in der Bank zurück. Mein damaliger Job erforderte nicht nur ein Interesse an Aktien und Anleihen, sondern auch soziale Kompetenzen, die Liebe zu anderen Ländern und Sprachen, eine solide Allgemeinbildung und einwandfreie Manieren. All das ist für mich in meiner heutigen Tätigkeit äusserst hilfreich, gepaart mit einem gewissen Grad an Extrovertiertheit und der Fähigkeit, mich in einer Vielzahl von sozialen Kreisen bewegen zu können.
Extrovertiertheit?
Ich mache auch viele Events, beispielsweise Crash-Kurs-Tastings an Firmenanlässen oder Wine & Dines oder Masterclasses wie an der Expovina. Da wäre Introvertiertheit nicht so von Vorteil.
Du hast zwei Kinder, wie bringst Du das alles unter einen Hut?
Ja, meinen Sohn Max (14) und meine Tochter Mathilda (6); ihren Vater habe ich übrigens während des Sommerferienjobs auf der Bank kennengelernt. So hatte die Zeit dort also etwas Gutes – lacht. Zugegeben, es ist nicht einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Organisation ist das Wichtigste. Und ich habe gelernt, um Hilfe zu bitten.
Was ist dein Lieblingswein?
Also bitte. Bei allem Respekt, das ist eine absolut unmögliche Frage. Aber wenn es sein muss – ich liebe Champagner, am liebsten Zero Dosage. Wenn ich an meinen Weinkeller denke, muss ich sagen, dass ich wohl einen kleinen Franzosen-Fetisch pflege. Aber auch Schweizer Wein liebe ich, besonders Petite Arvine aus dem Wallis sowie Pinot und Chardonnay aus der Bündner Herrschaft. Es ist für mich einfacher zu sagen, was für Wein ich weniger mag, nämlich süssen Wein. Bei mir spielen Emotionen eine grosse Rolle beim Weintrinken und ebenso die Gesellschaft, in der man trinkt. Am liebsten trinke ich Wein von einem Weingut, das ich besucht habe.
Mit all den Projekten, die Du am Laufen hast, den Events, dem Schreiben, den Kindern, war es da eine schwierige Entscheidung, die Nachfolge von Bruno-Thomas Eltschinger anzutreten? Er war ja während vielen Jahren als sehr geschätzter SVS-Korrespondent und Autor für das Fachmagazin Hotelier tätig. Zudem war er ein erfolgreicher ehemaliger SVS-Präsident.
Ich habe Hochachtung vor Bruno-Thomas Eltschinger und allem, was er für den Sommelierverband der Deutschschweiz geleistet hat. Der Fussabdruck, den er hinterlässt, ist gross. Ich hoffe, dass ich diesen Platz auszufüllen vermag. Zur Frage, nein, die Entscheidung bel mir gar nicht schwer. Als ich vom SVS-Vorstand angefragt wurde, habe ich ungefähr dreissig Sekunden lang überlegt. Ich fühle mich wirklich sehr geehrt und geschmeichelt. Und ich werde mein Bestes geben. Ich bin überzeugt, dass ich auch in der neuen Aufgabe tolle, spannende und inspirierende Kolleginnen und Kollegen kennenlernen werde und vielen Weininteressierten lustvolle Momente vermitteln kann.
Wir freuen uns auf die Beiträge von Shirley!
Artikel aus dem Hotelière
Seit vielen Jahren ist «Hotelier» das offizielle Verbandsorgan des Schweizer Sommelierverbandes ASSP-SVS.
Comments